Heimat
Mein Studium in Amerika ist beendet und ich befinde mich auf dem Rückflug nach Deutschland. Neben mir sitzt ein älterer Herr. Er ist sehr nett und wir kommen ins Gespräch.
“Dann sind Sie jetzt auf dem Weg in die Heimat, junger Mann?”, fragt er abschließend.
“Ja”, sage ich nickend. Heimat. Ich habe nie darüber nachgedacht, was das bedeutet. Wie es wohl ist, seine Heimat für immer zu verlassen? Freiwillig oder unfreiwillig? Findet man andernorts eine neue Heimat? Oder fühlt man sich zeitlebens fremd dort und sehnt sich nach der alten Heimat zurück? Und wie ist es, nach langer Zeit wieder an den Ort seiner Geburt zurückzukehren? Kann man an das Leben dort wieder anknüpfen, oder fühlt man sich als Fremder im eigenen Land? Über solchen Fragen schlafe ich ein.
Plötzlich spüre ich, wie mich jemand sanft rüttelt.
“Wir sind gleich da”, sagt der nette Herr und lächelt. Das Flugzeug setzt zur Landung an. Dann geht alles sehr schnell. Raus aus dem Flieger, mit dem Bus zum Terminal und dann die Koffer holen. Als ich aus dem Gate laufe, fällt mir meine Freundin freudestrahlend um den Hals.
“Ich bin so froh, dass du wieder hier bist”, sagt sie voller Freude. Ich lasse die Koffer fallen und drücke sie an mich. Unser leidenschaftlicher Kuss lässt mich alles um uns herum vergessen. Lächelnd lösen wir unsere Lippen voneinander. “Komm”, sagt sie und fasst meine Hand. Wir laufen nach draußen auf den Parkplatz, verstauen die Koffer im Auto und fahren los.
Eine Stunde später parken wir im Hof meiner Eltern und steigen aus.
“Bestimmt bist du froh, wieder zu Hause zu sein”, sagt meine Freundin.
“Das schon”, sage ich gedehnt.
“Aber?”, fragt sie nach. Ich umrunde das Auto und bleibe vor ihr stehen.
“Zu Hause ist kein Gebäude oder ein bestimmter Ort, sondern da, wo die Menschen sind, die man liebt und die einen lieben. Wo man sich geborgen fühlt und nichts vermisst”, antworte ich. “Und ich bin überall zu Hause, wo ich dich küsse”, füge ich mit einem Lächeln hinzu und beuge mich zu ihr hinab. In diesem Moment geht die Haustür auf und meine Eltern laufen auf uns zu. Mein Vater legt seine Hand auf meine Schulter.
“Schön, dass zu wieder zu Hause bist, mein Sohn.”
Und meine Mutter sagt: “Wir haben dich vermisst.”