Persönliches

Lesungen – Wunderbare Werbung (Teil 1)

Was ist besser als die Nähe der Leserschaft, ihre unmittelbare Reaktion auf das Vorgetragene? Im Idealfall: Verkäufe nach der Veranstaltung. Wer denkt dabei an den «armen» Autor? Denn nicht alle präsentieren sich gern in der Öffentlichkeit.

Ich sitze am Empfang eines mittelständischen Unternehmens, eine hektische doch keine besonders spannende Aufgabe. Der Briefträger kommt jeden Tag um die gleiche Zeit. Er ist nett, aber immer auf dem Sprung. Die Anweisung des Chefs ist eindeutig: «Halten Sie den Postboten heute unbedingt auf! Er muss für mich eine Rücksendung entgegen nehmen. Wenn er sagen sollte, er dürfe das nicht, es sei nicht seine Aufgabe oder sonst etwas einzuwenden hat, akzeptieren Sie das nicht, treiben Sie mich irgendwo auf und überlassen Sie den Rest mir. Ich verlasse mich auf Sie!»

«Hallo, habe heute nur einen Brief, vom Frühling draußen merkt man auch nichts, bis morgen.» Zeitgleich mit diesen Worten hat er den Empfangsbereich beinahe schon wieder verlassen. «Halt!», rufe ich ihm scharf entgegen. Diesen Ton ist er von mir nicht gewohnt. Entsprechend verblüfft blickt er mich an. «Wissen Sie eigentlich, dass ich Bücher schreibe?» Sein Gesichtsausdruck lässt sich schlecht beschreiben. Sekunden später verlässt er wortlos die Firma. Auf die Reaktion meines Chefs am frühen Nachmittag möchte ich nicht weiter eingehen.

«Hallo, habe heute einen ganzen Berg Post. Sagen Sie mal, Sie meinten das mit den Büchern gestern doch ernst?»
«Ja.»
«Was schreiben Sie denn so? Ich habe mit der Inhaberin vom Café an der Kirche gesprochen. Die machen hin und wieder kleine Veranstaltungen, mit Schriftstellern, Malern, Musikern. Nur in kleinem Rahmen. Die freuen sich immer über neue Gesichter. Oder machen Sie keine Lesungen?»
Zu feige, die Wahrheit zu sagen, zuzugeben, dass ich mir so etwas nicht zutraue, höre ich mich sagen: «Doch! Klar.»
«Dann gehen Sie da mal hin. Die freuen sich schon. Tschüs, bis morgen.»

Tage später rufe ich endlich in dem kleinen Café an. Nicht etwa, weil ich Lust dazu hätte, sondern weil ich mich dem Postboten verpflichtet fühle. Die Inhaberin reagiert distanziert. Vermutlich will auch sie dem Briefträger nicht vor den Kopf stoßen. Letztlich einigen wir uns darauf, dass ich mit einem Buch vorbeikomme, etwas dazu erzähle und ihr Zeit gebe, meinen Roman zu lesen, um erst danach über eine Lesung zu entscheiden.


– Fortsetzung folgt –

Bildquellen

  • Lesungen: Bildrechte beim Autor

Ich bin 56 Jahre alt. Katzen-(dressur), Pferde, Motorräder, Musik, Garten, Australien ... meine Interessen sind vielseitig. Die Begeisterung für Sprache hatte sich schon im Vorschulalter eingestellt. Stolze Eltern, gute Noten in Deutsch und Englisch. Abitur, Lehre, Job - So weit, so gut. Und dann der Geburtstagswunsch meines langjährigen Partners und heutigen Ehemannes: Ein Buch! Sein Wunsch war mir Befehl. Seitdem höre ich auf meine Protagonisten ... Absurd, aber wahr.

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