Lesungen – Wunderbare Werbung (Teil 3)
Die Nummer, die im Display erscheint, kenne ich nicht.
«Wann möchten Sie zu uns kommen?»
«Hallo? Wer ist denn da?»
«Ihr Hoch hinaus wollte ich habe ich in einem Rutsch durchgelesen. Ich bin begeistert. Suchen Sie sich ein Datum für die Lesung aus.»
Mir steckt ein Kloß im Hals. Mit allem hätte ich gerechnet. Damit nicht. Etwas vorlesen, ich? Vor Leuten, die nur meinetwegen kommen? Na super. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Wir verabreden uns für die nächste Woche, um die Details zu besprechen. Den Briefträger könnte ich geradewegs in den Boden schrauben.
In den Hinterzimmern des Cafés gibt es zwei gemütliche Räume, einen für 30 Personen, einen weiteren für zirka 15. Die Entscheidung fällt leicht. «Sie denken aber daran, dass ich alles andere als ein Profi bin?»
«Wie bitte? Ich höre schlecht. Sie müssen lauter reden», entgegnet mir die Inhaberin des Cafés. «Ich nehme den kleineren Raum. Ich bin kein Profi.»
«Ach so. Das macht nichts. Es sei, denn Sie möchten unbedingt Geld. Bezahlen kann ich Ihnen nichts.»
«Nein, nein. Das ist schon in Ordnung.» Geld. Das wäre ja noch schlimmer. Schon allein bei dem Gedanken stehe ich kurz vor einem Herzinfarkt.
Der Tag aller Tage rückt näher. Zuhause gehe ich meinem Mann auf die Nerven, weil er als einziger Zuhörer an privaten Probelesungen teilnehmen muss. Er hat null Verständnis für meine Bedenken. «Du gehst hin, liest vor und fährst wieder nach Hause. Was ist daran so furchtbar?»
10 Personen haben sich zur Lesung angemeldet, 13 kommen, einer ist von der Presse. Auch das noch. Bevor es losgeht stellt er mir belanglose Fragen für einen Lückenfüllerartikel, nehme ich an.
Die Leute sitzen erwartungsvoll auf ihren Plätzen, ich in einiger Entfernung davor. «Möchten Sie anfangen?», fragt mich die Inhaberin. «Ja, gerne», lüge ich. Sie knipst das Deckenlicht aus und eine niedliche Leselampe neben mir an.
Mit zitternder Stimme beginne ich zu lesen, laut, deutlich, langsam. Der erste Satz ist geschafft, der zweite, der dritte. Das Zittern legt sich. Abwechselnd schaue ich ins Buch und zum Publikum, das gebannt lauscht. Ich vertiefe mich in meine Geschichte, betrachte die Leute im Raum als das, was sie sind. Zuhörer, keine Monster, keine Mafia-Beauftragten, die mir nach dem Leben trachten. Harmlose Leser.
Die Veranstaltung wird ein voller Erfolg. Fünfzehn Bücher habe ich dabei, dachte, na ja, vielleicht kauft jemand eins. Es sind zu wenige. Einige möchten zwei, ein Exemplar zum Verschenken. «Schade, dass es schon zu Ende ist», sagt eine Dame. Andere nicken zustimmend. Gibt es ein schöneres Kompliment?
Bildquellen
- Lesungen: Bildrechte beim Autor
2 Comments
Yoro
ein tolles Erlebnis – was kann man sich als Autor mehr wünschen?
Suse
Eigentlich nur eins: Vorher nicht so furchtbar nervös zu sein. 🙂