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‘Rote Liste’ für Inquits (Teil 1)

Inquits?

Diese kleinen, kurzen Beifügungen für eine wörtliche Rede, Redebegleitsätze oder Inquits genannt, haben die Aufgabe zu kennzeichnen, wer spricht. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Sie bestehen häufig nur aus zwei Wörtern, wie »sagte sie«.
Eigentlich müssten Inquits auf der ‘Roten Liste bedrohter Arten’ stehen, so selten sollten sie ein. Jedenfalls in einem spannenden, flüssig zu lesenden Text.
Wie ihr aus dem Konjunktivgebrauch schon erahnt, entwickeln Inquits allerdings häufig ein Eigenleben, das als Überlebensstrategie interpretiert werden könnte – wenn …
Ja, wenn diese vom eigentlichen Zweck entfernten Missionen der Inquit-Legionäre nicht so verführerisch wären, dass ich immer auf der Hut vor ihnen bin und Infiltrationsversuche schon im Keim zu ersticken suche.

Dialoge sind wie Tennismatches. Einer schlägt auf, und dann geht der Ball hin und her. Sagte sie, erwiderte er, fragte sie, antwortete er – das wird schnell langweilig. Oder? Ja! Insbesondere das Erwidern und Antworten des Angesprochenen ist in fast allen Fällen überflüssig.

Könnte man also nicht ein wenig Emotionen mittransportieren, also in einem Aufwasch Atmosphäre im Dialog schaffen? Flüstern, brüllen, kreischen, zischen, schluchzen, lachen? Die Ersteren vielleicht, die letzten drei: Nein.
Wenn man zischelt, heult oder lacht, bekommt man keinen verständlichen Satz heraus. Man kann auch keine Wörter keuchen, lächeln oder nicken.

Besonders einladend sind Kombinationen mit nicht-sprechenden Verben, die eine beschreibende Handlung mit der direkten Rede verbinden sollen – und dabei oft noch Dopplungen huckepack tragen:
»Das geht nicht«, hob er bedauernd die Schultern.
»Heute nicht«, schüttelte er verneinend den Kopf.
»Ja, klar!«, nickte sie zustimmend.

Nein!

Ok. Dann vielleicht beschreibende Zusätze … die entgleiten allerdings zu gerne in eine Tell-Leidenschaft. Sie beschreiben den Sprecher ( … sagte die blonde Xanthippe oder der blauäugige Adonis) oder versuchen, dem Leser vorzuschreiben, wie er das gerade Gesagte zu verstehen habe ( … antwortete er gramerfüllt oder erwiderte sie quietschfidel). Adjektive und Adverbien nennen diese Wörter sich, und auch in Inquits treiben sie gerne ihr Unwesen.
In diese Richtung gehen auch die Verben flüstern und hauchen, kreischen und brüllen oder jammern und zetern. Wenn jeder Dialog so beschrieben wird, funktioniert der emotionale Transport nicht mehr.

Ja, dann – weglassen? Gar keine Inquits verwenden? Sie lassen sich nicht immer vermeiden, aber … ja, auf die Rote Liste mit ihnen! Eigentlich müsste diese Liste hier »Grüne Liste« heißen, denn je seltener sie sind in einem Text, desto besser.

Elegant ist es indessen, die Protagonisten des Dialoges aktiv handeln zu lassen, dann braucht man in den meisten Fällen keine oder nur wenige Inquits – und der Text gewinnt an Lebendigkeit.
Er lehnte sich zurück. »Meinst du wirklich, das geht?«
»Klar geht das, ganz einfach!« Sie machte eine ausholende Armbewegung.

Da ich es mir nicht verkneifen kann, hier ein paar smarte Merksätze:
– Sagen und fragen (und direkte, enge Verwandte) verwenden.
– Mache früh klar, wer gerade spricht.
– Aktive Protagonisten wirken lebendig und ersparen Inquits.
– Reduziere die Inquits auf »sehr selten gesichtet«.
– Tell-Abstinenz für beschreibende Zusätze.

Geboren in Frankfurt am Main, aufgewachsen auf'm Dorf, zuerst in Schleswig-Holstein, dann im Hochtaunus, wo ich auch heute wieder lebe und arbeite. Meine Cosy Krimis spielen genau hier. Drei gibt es schon, der vierte ist am Werden (Sept. 2020).

5 Comments

  • Mathias

    Guter Artikel!
    Ich würde ggf. noch darum erweitern wollten, dass der Leser die klassischen Inquits “sagte sie/sagte er” gar nicht bewußt wahrnimmt. Wir erfassen das beim Lesen ohne unser Hirn anzustrengen. Es stört daher den Lesefluss in keinster Weise.
    Leider habe ich nicht mehr parat, wo das mal untersucht wurde. Aber ich fand die Sache so interessant, dass ich seitdem versuche, die klassischen Inquits wirklich genau so nackt zu verwenden (natürlich auch nur, wenn es sein muss) und nicht mit Handlung zu kombinieren. Das fiel mir zunächst schwer. Ich wollte da – ganz klug… – “ökonomisch” schreiben – alá “Wenn ich schon ein Inquit hier dringend brauche, dann lass ich wenigstens was passieren”, sagte er und kloppte sich in diesem Moment der Selbsterkenntnis die Hand auf die Stirn.

    Davon bin ich geheilt und halt es heute für einen der hartnäckigsten Anfängerfehler, die ich nachträglich ausbügeln musste. Es war erschreckend so sehen, dass ich zuviele und zu aufgeblähte Inquits zuvor verwandt. Eine Nachwehe des Deutschunterricht vor einigen Jahrzenhten. Wie wir wissen, lernt man in der Schule nur Wörter, nicht aber Schreiben.

    Es grüßt euch
    Mathias aka Stolpervogel

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