
Nachtwald
Der neue Thriller von Tríona Walsh, einer irischen Bestseller-Autorin und zweimaliger Gewinnerin des Irish Writers Centre Novel Fair – Wettbewerbs. Ich habe das Buch im Rahmen einer Leserunde bei Lovelybooks gewonnen und mich richtig drüber gefreut.
Klappentext
Butler Hall, ein düsteres, etwas verfallenes Herrenhaus im Westen Irlands. Nach Monaten ohne Kontakt trifft Lizzie hier wieder auf ihre Familie, um die Hochzeit ihrer Mutter zu feiern. Lizzie hat einiges wiedergutzumachen und ist fest entschlossen, dass dieses Wochenende ein Erfolg wird. Doch bereits das Haus von George, dem neuen Ehemann ihrer Mutter, ist anders als erwartet: Butler Hall liegt mitten in einem dunklen Wald, selbst die Straße dorthin ist so zugewachsen, dass das Haus nur zu Fuß erreicht werden kann. Trotzdem findet noch jemand den Weg durch den Wald – und dieser Gast wird nicht einfach wieder weggehen. Ein albtraumhaftes Wochenende beginnt, während dem ein Geheimnis nach dem anderen ans Licht kommt. Und danach ist nichts mehr so, wie es vorher war.
Kritik
Der Klappentext liest sich vielversprechend, Spannung, Geheimnisse, Schwierigkeiten, Drama, Angst – eben alles, was ein guter Thriller haben sollte.
Doch dann erscheint die erste Spaßbremse: ein Prolog, und zwar einer von der effekthascherischen Sorte, ohne die mittlerweile kaum noch ein Thriller auszukommen meint. So wird einem tatsächlich ein wenig vom Lesespaß vermiest, weil man bereits ahnen kann, in welche Richtung sich der Plot entwickeln wird.
Ärgerlich, aber man kann damit leben, trotzdem mache ich erste Abstriche. Erst recht, weil sich sehr schnell zeigt, dass Walsh durchaus spannend schreiben kann und ihr solche Krücken mehr schaden als nützen.
Eine Seite später steigt man dann in die eigentliche Handlung ein, nämlich drei Tage zuvor.
Erzählt wird durchgehend aus Sicht von Lizzie O’Shea, einer jungen Frau, die gerade eine sechsmonatige Alkohol-Entziehungskur erfolgreich durchgestanden hat. Sie wird von ihrer Familie und dem frisch angetrauten Ehemann ihrer Mutter in der Entzugsklinik abgeholt; zusammen wollen sie ein Wochenende lang die Hochzeit feiern.
In ansprechendem, leicht lesbaren Stil führt die Autorin durch die ersten Kapitel, die kurz und temporeich gestaltet sind. Dank ihrer bildhaften Beschreibungen findet man sich gut zurecht und kann sich das Ambiente ausgezeichnet vorstellen.
Lizzie ist als Protagonistin tiefgründig gezeichnet, man kann ihre Schuldgefühle, Ängste und Schwierigkeiten problemlos nachvollziehen, genauso, dass die Beziehung zu ihrer Mutter und ihrem Bruder erst wieder neu definiert werden muss. Jegliches Vertrauen war durch Lizzies Alkoholsucht restlos zerstört, und der neue Frieden ist noch nicht belastbar.
Die übrigen Charaktere sind weniger ausdrucksstark beschrieben, doch sie agieren – zunächst – interessant und machen neugierig auf ihre Hintergründe. Bis hierhin macht es noch Spaß.
Von da an gehts bergab
Als beim Abendessen der schon im Klappentext erwähnte extra Gast auftaucht, schleichen sich im Auftreten sämtlicher Personen erste Unglaubwürdigkeiten ein. Am anderen Morgen ist dieser Gast dann verschwunden, dafür hat das Verhalten von beinahe allen Charakteren die Grenzen des Nachvollziehbaren erreicht.
Im weiteren Verlauf wird das immer haarsträubender, bis es stellenweise absurde Züge annimmt.
Wenn die Logiklöcher die Ausmaße des Grand Canons annehmen und die Handlung kaum noch zusammenhalten können, bleibt vom Lesespaß nicht mehr viel übrig.
Kurze Kapitel, die zu oft mit Cliffhangern enden, überraschende Wendungen, bei denen man oft nur noch den Kopf schütteln kann, auch die zahllosen effekthascherischen Ansagen, die dann ins Harmlose verpuffen, versuchen zwar verzweifelt, die Spannung hochzuhalten, erreichen aber genau das Gegenteil. Es ist einfach zu viel des Guten, und leider auch zu schwach umgesetzt.
Als krönender Abschluss erklärt dann der Täter triumphierend und mit Waffe in der Hand den letzten Opfern minutiös seinen Plan mit allen Hintergründen. Wirklich nicht die eleganteste Methode, um einen Plot aufzulösen, und außerdem restlos abgedroschen.
als Fazit
… kann man eigentlich nur sagen, die Idee wäre super gewesen und man hätte unendlich viel mehr daraus machen können, das Zeug dazu hat die Autorin allemal.
In dieser Form ist das Buch jedoch selbst als Urlaubslektüre, wenn man auf leichte Lesekost setzt, zu schwach und bleibt meilenweit hinter allen Erwartungen zurück.
Nachtwald
Tríona Walsh
Taschenbuch, 384 Seiten
FISCHER Taschenbuch; 1. Edition (27. November 2024)
ISBN-13 : 978-3596709014
Bildquellen
- nachtwald: Bildrechte beim Autor



