
Worldbuilding – hier bin ich Gott!
Egal, in welchem Genre man schreibt, Worldbuilding gehört zu den faszinierendsten und wichtigsten Aufgaben eines Autors – und wird in seiner Bedeutung gerne mal unterschätzt.
Es geht darum, eine Welt aufzubauen, die so glaubwürdig und lebendig ist, dass die Leser bereit sind, sich darin zu verlieren.
Was ist dieser Weltenbau überhaupt?
Er bezeichnet den kreativen Prozess, bei dem der Autor ein Umfeld mit allem drum und dran gestaltet, in dem sich seine Story abspielt.
Je nachdem, wann und wo eure Geschichte spielt und worauf die Schwerpunkte liegen, müssen die entsprechenden Facetten herausgearbeitet, oft auch komplett neu erschaffen werden.
Damit sind nicht nur die Geografie mit ihrer Flora und Fauna gemeint, Gesellschaftssysteme, Politik, Religion, Kultur, Bräuche, Technik, Magie und so weiter zählen ebenfalls dazu.
Brauche ich nicht, denken viele, ich schreibe weder Fantasy noch Sci Fi, und auch sonst nichts Ausgefallenes. Doch mit Worlbuilding ist nicht nur gemeint, ganze Welten und Planetensysteme von Grund auf neu zu designen, es beginnt mit jeder einzelnen Szene, die sich ja irgendwo abspielen muss.
Ziel ist es, eine Umgebung zu schaffen, die logisch und spannend genug ist, um die Handlung zu tragen, und einen Autor, dem das gut gelingt, kann man mit Fug und Recht als Künstler bezeichnen.
Ein gelungenes Worlbuilding rundet jede Story ab und ist essenziell, damit der Leser mit der Umgebung vertraut werden und so die einzelnen Schritte der Figuren perfekt miterleben kann. Guter Weltenbau vermag aber noch sehr viel mehr. Er kann:
- Kopfkino in Gang setzen
- Stimmung vermitteln
- Verdachtsmomente säen und falsche Spuren legen
- den Leser tief in die Story eintauchen lassen; was auf die Figuren zutrifft, gilt genauso für die Umgebung: Je lebendiger und realer alles wirkt, desto besser klappt der Eintaucheffekt.
- Die Handlung vorantreibe; Konflikte, Herausforderungen und Wendungen entstehen oft aus den Regeln und Gegebenheiten der Welt.
- Figuren formen; auch die Umgebung kann beeinflussen, wie Charaktere denken, handeln und miteinander interagieren.
Ein erstes Fazit: Am Thema Weltenbau führt kein Weg vorbei.
Patentrezept? Fehlanzeige, wie so oft beim Schreiben, und natürlich mal wieder eine Gratwanderung: Finde einen Mittelweg, dass sich deine Figuren nicht im luftleeren Raum bewegen, man aber auch nicht das Gefühl hat, sich durch einen dreibändigen Reiseführer quälen zu müssen.
Relativ einfach ist es, wenn sich die Story zur heutigen Zeit im Viertel nebenan abspielt. Sobald man aber rüberbringen muss, dass der Planet Hyxalium, auf dem das Raumschiff des Helden gestrandet ist, von intelligenten, fleischfressenden Pflanzen bewohnt ist, die von flugfähigen, pinkfarbenen Einhörnern ausgebeutet werden, weil, die dortigen Götter das so verlangen, wirds schon anspruchsvoller.
Doch selbst wenn sich die Handlung in einem ‚völlig normalen‘ Umfeld bewegt, möchte ich als Leser zumindest einen Eindruck bekommen, wo und wann die Szene stattfindet.
Man hat dabei zwei Möglichkeiten:
- Man schnürt ein Informationspaket und liefert darin in einem Rutsch alle benötigten Informationen.
Die Gefahr ist dabei allerdings groß, dass es sich einmal zu langweilig liest (die Todsünde schlechthin beim Schreiben!), zum anderen, dass man einen Haufen Infodump fabriziert. Also dass man viel mehr Infos hineinpackt, als der Leser zu diesem Zeitpunkt überhaupt braucht oder wissen will.
Für einen kurzen Einschub ist es kein Problem, es sollte aber keinesfalls zu lang werden!
- Man baut die Informationen in die Handlung und/oder einen Dialog ein, am besten so, dass dem Leser gar nicht auffällt. Damit schlägt man alle Fliegen mit einer Klappe, denn die Story geht einmal voran, zum anderen merkt man als Autor selbst sofort, was an dieser Stelle erklärt werden muss.
In den meisten Fällen liest sich diese Methode besser weil lebendiger und näher am Geschehen.
Was dabei schiefgehen kann:
- Zu starker Fokus auf die Welt statt auf die Handlung: Worldbuilding ist ein Werkzeug, um deine Geschichte zu verbessern, nicht, um sie zu ersetzen.
- Zu viele Klischees: Eine mittelalterliche Fantasy-Welt kann selbst mit Elfen, Zwergen und einem dunklen Lord gut funktionieren, wenn sie mit ein paar neuen Ideen aufwartet.
- Zu viele Erklärungen auf einmal: Es drohen Infodump und Langeweile (siehe oben).
- Zu früh gelieferte Beschreibungen: Die Informationen müssen genau zur gerade stattfindenden Szene passen, anderenfalls sind sie uninteressant und werden sofort wieder vergessen. Kein Mensch merkt sich, wenn auf Seite 7 etwas beschrieben wird, was erst auf Seite 294 in der Story auftaucht.
Eine wichtige Rolle beim Worlbuilding spielt auch die Stimmung, die in einer Szene herrscht, bzw. die das Genre vorgibt. Also auf welche Weise ich meine Beschreibungen formuliere.
So darf in der Fantasy ruhig auch mal etwas blumig und ausführlich beschrieben werden, ein atemloser Thriller ist mit kurzen Sätzen und Informationen so knapp wie möglich meist besser dran. Bei einem Krimi, wo jeder Kieselstein wichtig sein kann, machen sich detaillierte Beschreibungen gut, während ein Liebesroman voll aufs Gefühlspedal treten darf. Da wird Kitsch sogar erwartet und verlangt.
Ganz toll finde ich es, wenn jemand das Kunststück fertigbringt und kurz und prägnant, z.B. mit originellen Vergleichen, den Nagel auf den Kopf trifft.
In einem Selfpublishingroman hat der Autor z.B. das Wohnzimmer einer unendlich spießigen Familie beschrieben: »Die Schrankwand war Eiche brutal.«
Der Satz ergibt so eigentlich gar keinen Sinn, trotzdem weiß man sofort, was damit gemeint ist und hat ein wundervolles Bild vor Augen.
Gutes Worldbuilding ist für mich, wenn ich mit nicht allzu vielen Worten genau sehen und fühlen kann, was in einer Szene gerade passiert, und natürlich, wenn die Beschreibung zu Genre und Thema passt.
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- godmode: Bildrechte beim Autor

