Shortstories

First Contact

Der Tag der Anmeldung in der Schule ist ein bedeutender Schritt im Leben eines Kindes. Und auch der Erziehungsberechtigten. Die spätere Einschulung ist ja letztendlich nur die Feier und das Tamtam, als erster entscheidender Schritt aus der Kindheit.

Der Ernst des Lebens.

Aber bis zu diesem feierlichen Akt ist noch etwas Zeit.

Mein Problem ist ein ganz anderes. Heute ist der letzte Tag der Anmeldefrist für die Schule.
Fragt nicht warum erst heute. Das ist zu peinlich. Aber auch das ist nicht das Problem.

Mein Problem war, mein Kind war weg.
Einfach verschwunden.

Vor mir stand Batman.

Und Batman hatte keine Ahnung, wo mein Sohn steckte.
Er konnte mir auch nicht helfen.
War beschäftigt. Mit Superheldensachen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass er mir gar nicht helfen wollte, sondern gemeinsame Sache mit meinem Sohn machte.

Würde Batman einem besorgten Vater so eiskalt ins Gesicht lügen? Vielleicht wenn er mich für einen Schurken hielt. Ich bin hier doch nicht der Böse. Oder doch?
Immerhin wollte ich meinen Sohn in der Schule anmelden. Schluss mit lustig. Noch mehr Regeln.

Aber das musste ja sein. Außerdem war er außergewöhnlich wissbegierig. Er hatte ein gutes Zahlenverständnis, welches definitiv von der Mutter kam. Und er konnte einen in Grund und Boden quatschen und gleichzeitig mit Fragen löchern. Das hatte er definitiv von mir. Und seine Fantasie, welche wie nur möglich förderte und auch megastolz war.

Ich schaute Batman an.
Er starrte zurück.

Ein schelmisches Grinsen zuckte für den Bruchteil einer Sekunde durch das Pokerface.
Keine Chance.

»Bitte?«
Batman musterte mich. Eiskalt.
»Kannst du bitte in ganzen Sätzen sprechen, dann versteht man vielleicht, was du möchtest.«

Ich wusste nur zu gut, das Batman gerissen war. Muss man ja auch sein in dem Job. Aber das war verdammt clever. Er schlug mich mit meinen eigenen Waffen.

»Batman, bitte, kannst du mir helfen?«
»Wobei denn?«
Ich fasse es nicht. Kommt jetzt die Zermürbungstechnik?

»Ich suche meinen Sohn. Und ich kann ihn nicht finden. Er ist verschwunden. Einfach so. Und dann habe ich, den Göttern sei dank dich entdeckt. Es ist toll, das du da bist. Bitte Batman hilf mir.«

»Wer ist dein Lieblingsgott?«
»Warum willst du das wissen?«
Ich spiel das Spiel schon länger mein Kleiner. Seit Du sechs bist darf ich dich nicht mehr so nennen. Aber die Gedanken sind frei.
»Nur so, weil ich es wissen will.«
»Wirst du mir helfen?«
»Was willst du denn von deinem Sohn?«
»Wir müssen ihn heute in der Schule anmelden. Er wird ein Schulkind dieses Jahr, weißt du? Du warst doch bestimmt auch gerne in der Schule.«
»Warum?«
»Weil du so viel weißt und so schlau bist.«

Batman schaute mich zweifelnd an. Er schien zu überlegen.
Auch ich musste meine Strategie weiter ausbauen. Heute war einer dieser Tage, wo man mit allem rechnen musste.
Ich wollte ihn nicht bestechen. Und ich musste verhindern auf seine Forderungen einzugehen. Ich durfte es erst gar nicht zu diesen irren Forderungen kommen lassen.
Wer gesagt hat das man mit Terroristen nicht verhandelt, hatte bestimmt keine Milchzahnpubertiere. Und er war erst sechs. Das konnte noch lustig werden.

Batman machte »hmhmhmh«.
»Ja bitte?«
»Hmmm«.
»Hmmm, was?«
»Wie war das mit den Göttern?«
Shit.
Hätte ja klappen können. Ich überlegte fieberhaft.
»Und glaubst du an Götter?«
»Ja. Und du?«
»Willst du nicht lieber eine viel interessantere Frage stellen?«
»Welche?«
»Warum?«
»Warum was?«
»Warum ich an Götter glaube.«
»Warum glaubst du an Götter?«
»Weil ich ein Gott bin.«

»Du?«, fragte Batman ungläubig.
Ich nickte nur knapp. Erhaben.
»Wie Thor?«
Erneut nur ein Nicken meinerseits. Eiskalt, wie ein Profi eben.
»Och Papa«, Batman stampfte genervt auf. Wandeln auf Messers Schneide. Ich bin Gefahrensucher.
Ich schenkte ihm ein liebes Lächeln.
»Du bist ein Gott?«
»Ja«, ich nickte bestätigend.
Der Unglaube seines Blickes hätte mich um ein Haar vernichtet. Aber wir waren ja auch nicht bei den Ghostbusters. Für Batman brauchte ich schwerere Geschütze.

»Und du bist auch ein Gott.«
»Ich?«
»Ja klar.«
»Warum?«
»Weil Götter ihr Schicksal in ihre eigenen Hände nehmen. So wie wir.«

Batman starrte mich mit großen ungläubigen Augen an.
Der Moment der Entscheidung.
»Was ist Schicksal?«
Verdammt. Warum hatte ich nicht Glück gesagt?
»Hmmm.«
»Weißt du es selber nicht?«
»Doch, ich versuche bloß, es dir so zu erklären, dass du es verstehst. Es ist kompliziert, weißt du?«
»Ich verstehe alles. Ich bin Batman.«
»Okay. Es ist der Weg, der vor dir liegt. Das, was die Zukunft bringt, was passieren wird in der Zukunft.«
»Verstehst du?«
»Na logo.«
»Das freut mich. Du Batman, jetzt wo wir das geklärt haben, kannst du mir helfen, meinen Sohn zu finden?«
»Nein.«
»Warum kannst du mir nicht helfen?«
»Ich kann dir helfen. Aber ich darf nicht.«

Mir schwante Fürchterliches.

»Er will nicht gefunden werden. Er versteckt sich. Er hat Angst und will da nicht hingehen. Er sagte mir, dass er erst im Sommer in die Schule gehen muss. Das er jetzt noch ein Maxikind ist. Er möchte viel lieber mit dir mit Lego spielen.«

Hmmm.

»Musst du wohl alleine hingehen.«
»Das kann ich ja nicht. Er muss mit.«
»Warum?«
»Damit sie wissen, dass es ihn gibt.«
»Hmmm, er will aber nicht.«
»Das ist schade, auf dem Rückweg wollte ich durch Park zum Zauberbaum gehen. Die große Runde.«
»Die richtig große Runde?«

Ich nickte. Inzwischen war mir alles Recht.
»Ich geh jetzt erstmal einen Kaffee trinken. Fragst du ihn bitte?«

Batman schaute mich abwägend an. Aber schließlich nickte er.

Als ich meinen zweiten Schluck Kaffee getrunken habe kam Batman an.
»Er ist einverstanden.«
»Das ist toll. Dann können wir ja gleich los.«
»Aber er hat Bedingungen.«
Natürlich.
»Zwei Kugeln.«
Ich nickte.
»Mindestens. Und mit Streuseln.«
»Natürlich.«
Wer konnte Batman schon was abschlagen?
»Und wir gehen in den Legoladen rein und schauen nicht nur durch das Fenster, okay?«

Ich grinste ihn an. Mein Sohn. Ich bin so verdammt stolz auf ihn.
»Na logisch. Einverstanden?«
Batman nickte feierlich. »Einverstanden.«

»Na dann los. Desto schneller wir sind, je eher sind wir beim Legoladen.«

»So schnell wie Flash?«
»Das wär schon irgendwie toll.«

Batman machte eine elegante 180 Grad Drehung auf einer Socke und verschwand.
Ich trank lächelnd meinen Kaffee aus.
Zehn Minuten später verließ ich mit einem fröhlichen und aufgeregtem Kind das Haus und schlug den kurzen Weg zur Schule ein.
Wir kämpften uns durch den Dschungel und mussten vorsichtig Treibsandlöchern ausweichen. Hatte ich die vielen gefährlichen Giftschlangen erwähnt? Zum Glück hatte er sein Dschungelschwert dabei. Uns konnte nichts passieren. Ich brauchte mir keine Sorgen machen. Ich muss keine Angst haben, wenn er bei mir ist. Er beschützt mich. Ich könnte ihn drücken meinen Kleinen. Wo waren die letzten sechs Jahre geblieben? Mein Sohn das Schulkind.

»Papa, pass auf!«
Ich zuckte aus meinen Gedanken und schaute ihn an.
»Fast wärst du im Treibsand gelandet.«

Glück gehabt.
»Danke, dass du mich gerettet hast.«
»Gerne doch Papi. Wir haben es geschafft. Da vorne ist die Schule.«

Ich bin der Meinung, es ist ein entscheidender Schritt. Die Steuernummer bekommt man ja fast schon per SMS, direkt im Kreißsaal. Aber ich mag mich täuschen. Und das Sekretariat war auch schnell gefunden.
Die Tür stand offen.
»Ja bitte? Wie kann ich helfen?«
»Guten Tag wir sind hier um meinen Sohn für die Schule anzumelden.«

»Hallo, schön das du da bist.
Mein Name ist Frantzen. Und wie heißt du?«

»ICH BIN BATMAN

Bildquellen

"You want weapons? We're in a library. Books are the best weapon in the world." Der Avatar ist übrigens von dem großartigen David Revoy https://www.peppercarrot.com/extras/html/2016_cat-generator/?seed=

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert