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Show don’t tell verstehen

Und warum funktioniert das so?

Weil diese Szene aus Klaras Sicht gezeigt wird, ihr hört ihre Gedanken, erlebt ihre Handlungen und seht alles mit ihren Augen. Sie ist zum Leben erwacht und hat Persönlichkeit entwickelt, der Text erscheint lebendiger – und damit auch interessanter. Es ist keine trockene Szene mehr, das Kopfkino startet und die Handlung läuft vor dem geistigen Auge als Film ab.

Diese Art zu schreiben (geht auch in Ich-Form, ist aber nicht notwendig) hält den Leser eng am Geschehen und lässt ihn sofort eine Beziehung zu einer Figur aufbauen.

Was fällt noch auf?

Natürlich, der zweite Text ist fast dreimal so lang wie der erste, ein Effekt, der Vor- und Nachteile hat.

Show, don’t tell lässt sich also erreichen, indem man eine rein beschreibende, unpersönliche Szene durch Handlung und Dialoge in eine lebendige, persönlichere umwandelt.

Es wäre natürlich auch kürzer gegangen, ich habe die Szene absichtlich so ausführlich dargestellt, um euch noch etwas (Nützliches) zu zeigen: Auf diese Weise lassen sich nämlich dem Leser wunderbar jede Menge Informationen unterjubeln, ohne dass es im Mindesten stört. Tatsächlich merkt er nicht einmal, dass er gerade gebrieft wird.


Schauen wir mal, was haben wir außer Klaras Art noch alles erfahren?

  • Sie lebt offenbar in einer einigermaßen intakten Familie (zwei Elternteile, kein Streit)
  • Sie hat einen jüngeren Bruder im Teenager-Alter (Stimmbruch)
  • Er nervt sie (Kleine Brüder – der letzte Irrtum der Natur)
  • Sie wohnt in einer größeren Stadt (es gibt eine U-Bahn)
  • Sie hat eine wenig sympathische Biologielehrerin (selbst ihr Vater mag sie nicht)
  • die ziemlich streng und furchterregend ist (die Brunzmeier wird dich vierteilen)
  • und eine extrem unangenehme Stimme hat (der Brunzmeiersche Kreissägensopran)
  • Es hat da schon mal Ärger gegeben (schon wieder in die Sprechstunde)
  • Klara ist trotz des Referatsthemas keine Veganerin (Schinkenbrot)

All diese Dinge sind dem Leser jetzt bekannt, und zwar ohne dass man sie extra erwähnen oder gar näher erklären musste. Er kann alles nachfühlen, fühlt sich in Klaras Universum bereits ein wenig heimisch und möchte wissen, wie es weitergeht. Und wenn irgendetwas davon später noch wichtig werden sollte, ist hiermit schon mal das Terrain vorbereitet.


Noch ein Beispiel?

Version 1 ‚tell‘:
Anna erwachte mit dem Kater ihres Lebens. Sie hatte mörderische Kopfschmerzen, einen ekligen Geschmack im Mund, und sie fühlte sich sterbenselend. Zumindest schaffte sie es gerade noch ins Bad, als sie sich auch schon übergeben musste.

Version 2 ‚show‘:
Kann bitte mal einer diesem fiesen, kleinen Gnom in meinem Kopf den Hammer wegnehmen? Anna setzte sich im Bett auf und versuchte, sich zurechtzufinden. Gar nicht so einfach nach dem Durcheinander von gestern Abend: Piña colada, Sex on the Beach und dann noch zwei Bacardi Cola … Scheiß Happy Hour!
Na gut, erst mal Zähne putzen, und eine Dusche wäre auch nicht verkehrt. Und die paar Meter ins Bad sind ja wohl zu schaffen!
Sie schaffte es, aber nur gerade so.
Verdammt, is mir schlecht! Ich glaube, ich muss gleich …
Nie wieder, schwor sie sich, als ihr restlicher Mageninhalt den umgekehrten Weg nahm. Zu meinem nächsten Geburtstag gibts Kräutertee!

Die persönliche Sicht, die man für ‘show’ benötigt, muss nicht unbedingt über Dialoge und Action definiert werden, genauso gut funktioniert es auch wie hier mit Gedanken, Gefühlen und Metaphern (hier: der fiese kleine Gnom im Kopf).

«Ok, super, ich habs verstanden. Aber woher weiß ich jetzt, wann ich show und wann ich tell nehmen soll? Oder soll ich gleich alles in ‘show’ schreiben?»

Letztere Frage zuerst: Nein, niemals und auf gar keinen Fall!

Mit ‘show’ geschriebene Szenen sind immer länger und ausführlicher als das unpersönlich erzählende ‘tell’, das haben wir bereits festgestellt, und das lässt sich auch nicht vermeiden. Show – Texte halten den Leser enger am Geschehen, man behält sie leichter im Gedächtnis, sie bekommen mehr Bedeutung und wirken wichtig. Genau das ist der Grund, warum man ‘show’ nicht immer und überall verwenden sollte.

Jede Geschichte enthält außer ihren Höhepunkten, Hauptfiguren und sonstigen wichtigen Teilen auch eine Menge nebensächliche Elemente.
Das sind all die Dinge, die zwar dazu und erwähnt gehören (z.B. wenn der Protagonist zwischendurch mal eben schnell einkaufen geht), die aber niemand näher und in aller Ausführlichkeit wissen will bzw. muss. Dementsprechend müssen wir mit ihnen umgehen:

Für alle Nebensächlichkeiten ist das unpersönlichere ‘tell’ besser geeignet.

Warum?

Würde man die nebensächlichen Dinge genauso ausführlich zeigen wie die wichtigen, bekämen sie dadurch ebenfalls eine Bedeutung. Diese muss sich aber früher oder später im Plot widerspiegeln, soll heißen, irgendwann muss der Leser nachvollziehen können, warum auf xyz so viel Wert gelegt worden ist.
Wenn das ausbleibt, gerät das ganze Handlungsgefüge aus dem Gleichgewicht.
Eine komplette Story rein mit ‘show’ zu verfassen, würde die wirklich wichtigen Elemente egalisieren und die weniger relevanten über Gebühr aufblähen. Beides sind Effekte, die man vermeiden sollte,

deswegen ist es sehr wichtig, genau abzuwägen, wo in einem Plot die Schwerpunkte liegen.

Diese kann man dann mit gutem Gewissen nach Herzenslust ausbauen und als ‘show’ – Szene ausarbeiten. Für alles andere ist ‘tell’ in den allermeisten Fällen die bessere Wahl.


Als Fazit und grober Überblick – wann verwende ich was?

Show’ eignet sich für

  • die Eingangsszene eines Romans
  • sämtliche Szenen, in denen wichtige, storyrelevante Dinge geschehen
  • spannende Szenen
  • Passagen zur Auflockerung zwischen vielen Beschreibungen
  • Szenen, die sehr persönlich und nahe am Leser erscheinen sollen

‘Tell’ nimmt man besser für

  • alles, was nebensächlich und nicht so wichtig ist
  • überbrückende Passagen
  • reinen Erzähltext, der die Story voranbringt

Alles klar soweit?
Dann hoffe ich, meine show, don’t tell – Abhandlung hat euch ein bisschen weitergeholfen.

Bildquellen

  • show-dont-tell: Bildrechte beim Autor

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